Sex im Alter – ein Tabu?

home1

Nein, nicht mehr, möchte man auf diese Frage antworten. Derzeit reift im wahrsten Sinne des Wortes eine Generation heran, die in eine Zeit des gesellschaftlichen, politischen, kulturellen und auch sexuellen Umbruchs hineingeboren wurde. Die Prägezeit der Babyboomer waren die 70er Jahre – das vermutlich bunteste und freieste Jahrzehnt, das es je gab. Aber auch die heute über 60-Jährigen genossen bereits größere persönliche und gesellschaftliche Freiheiten als jede andere Generation vor ihnen. Freie Liebe, die Abkehr von traditionellen Verhaltensmustern, der Drang zur Selbstverwirklichung und die Einführung der Antibabypille haben auch ihr Sexleben beeinflusst.

Noch in den 80er Jahren galt "Rentnersex" – sofern er in den Köpfen jüngerer Menschen überhaupt existierte – als etwas, das im Dunkeln hinter zugezogenen Vorhängen stattfand und totgeschwiegen wurde. Heute ist Sex im Alter durchaus ein Thema, zumindest in den Medien. Filmemacher, Buchautoren und Fernsehsender haben sich des Themas angenommen und es in all seinen Facetten in die Öffentlichkeit gerückt. Im privaten Umfeld sieht es ein wenig anders aus. "Es" zu tun, ist eine Sache, aber frank und frei über die eigene Sexualität zu sprechen, eine andere. Das fällt selbst jüngeren Menschen schwer.

Im höheren Alter mischen sich häufig noch Schuld und Scham, eine prüde Erziehung und überholte Moralvorstellungen in eine lustvoll erlebte Sexualität. Trotzdem ist in den Schlafzimmern älterer Paare einiges passiert – die Generation 50plus geht heute deutlich ungezwungener mit Sex um als noch vor einigen Jahren. Sexuelle Lust und der Wunsch nach Zärtlichkeit spielen bis ins hohe Alter eine Rolle. Leider gibt es nur wenige Studien zum Thema Sex im Alter, deren Ergebnisse stark voneinander abweichen und nicht besonders aktuell sind. Trotzdem lässt sich eine Tendenz beobachten: Drei Viertel der 60- bis 69-Jährigen haben regelmäßig Sex, bei den 70- bis 79-Jährigen ist es immerhin noch mehr als die Hälfte und bei den 80- bis 89-Jährigen rund ein Drittel.

henning

Ann-Marlene Henning
Sexualtherapeutin, Buchautorin, Moderatorin

Wichtigste Grundlage für ein erfülltes Sexleben ist eine glückliche und vertrauensvolle Beziehung. Freiwillige oder unfreiwillige Singles und Paare, die unzufrieden mit ihrer Ehe sind, haben deutlich weniger Sex. Und es gibt eine weitere Faustregel: Wer sein Leben lang lustvoll geliebt hat, wird auch im Alter Spaß am Sex haben. Tendenziell gilt das auch im umgekehrten Fall, wobei es in der älteren Generation viele Frauen gibt, die erst in den besten Jahren ihre Lust entdecken und sich trauen, sexuelle Wünsche zu formulieren.