Was der Lust im Wege steht
Körperliche Veränderungen und gesundheitliche Einschränkungen
Es gibt verschiedene Faktoren, die der Lust im Wege stehen können: Wie in vielen anderen Bereichen des Lebens hat die Psyche auch hier großen Einfluss auf Leistungsfähigkeit, Beschwerden und Erkrankungen. Das gilt für Frauen und Männer gleichermaßen, wobei es "den" älteren Menschen natürlich nicht gibt.
Frauen
Manche Frauen haben sich nie wohler und entspannter gefühlt als jenseits der 50, weil sie gelernt haben, ihren Körper zu akzeptieren und ihre Bedürfnisse selbstbewusst zu formulieren. Andere leiden unter dem sogenannten "Double Standard of Aging", was bedeutet, dass Frauen früher als Männer als alt, unattraktiv und asexuell wahrgenommen werden. Wieder andere, die schon in jungen Jahren keinen Spaß an Sex hatten, setzen sich mit Mitte 60 sexuell zur Ruhe, erleichtert darüber, dass sie keine von außen an sie herangetragenen Erwartungen mehr erfüllen müssen.
Priv.-Doz. Dr. Gert Naumann
Chefarzt der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe der Helios Klinik Erfurt
Störfaktoren bei der Frau
Sexualität ist ein grundlegendes menschliches Bedürfnis. Mit dem Einsetzen der Wechseljahre vollzieht sich eine Reihe von körperlichen Veränderungen, die mit Einschränkungen des körperlichen und seelischen Wohlbefindens einhergehen können – aber nicht müssen. Zu den klassischen klimakterischen Beschwerden gehören Scheidentrockenheit und dadurch bedingt Schmerzen beim Geschlechtsverkehr. Durch hormonelle Veränderungen wird die Scheidenschleimhaut dünner, was das Risiko für Blasenentzündungen und andere Infektionen erhöht. Präparate zur Befeuchtung der Scheidenschleimhaut leisten hier Abhilfe. Frauen, die daran leiden, wenden sich am besten an ihre Frauenärztin bzw. ihren Frauenarzt. Sexuelle Gesundheit muss integraler Bestandteil jeder ärztlichen Behandlung sein. Frauenärzte sollten vertrauensvoll aufklären und beraten sowie vielfältige Therapiemöglichkeiten aufzeigen.
Männer
Und wann ist ein Mann ein Mann? Unter dem Druck, immer wollen und jederzeit können zu müssen, macht vielen älteren Männern die nachlassende Potenz zu schaffen. Sie fühlen sich von ihrem Körper im Stich gelassen, ihrer Männlichkeit beraubt, sind verunsichert, gekränkt und beschämt. Andere sehen den körperlichen Veränderungen gelassen ins Auge und heißen andere Spielarten der Liebe willkommen.
Prof. Dr. Andreas Wiedemann
Chefarzt der Urologischen Klinik Witten
Störfaktoren beim Mann
Neben Erektionsstörungen können im Alter auch nachlassendes Verlangen (Libidoverlust) oder ein vorzeitiger Samenerguss (Ejaculatio praecox) Störfaktoren für eine lustvolle Sexualität sein. Während Libidostörungen häufig durch altersabhängige Testosteronmangelzustände bedingt sind, die sich auch in Müdigkeit und anderen allgemeinen Symptomen äußern, kommt der vorzeitige Samenerguss in jeder Altersgruppe – bei jungen und alten Männern – vor. In jedem Fall ist eine Therapie möglich, so dass entsprechende Symptome bei einem Arzt besprochen werden sollten.
Doch trotz unterschiedlicher Sicht- und Herangehensweisen gibt es körperliche Einschränkungen, die nicht wegzudiskutieren sind.
Frauen
Es ist ein Mythos, dass das sexuelle Verlangen von Frauen mit Einsetzen der Wechseljahre verebbt. Man(n) muss sich jetzt allerdings mehr Mühe beim Liebesakt geben. Denn der weibliche Körper produziert nun weniger vom Geschlechtshormon Östrogen, was zur Folge hat, dass die Schleimhaut der Scheide geringer durchblutet, dünner und empfindlicher ist. Es dauert also länger als bisher, ehe Frauen feucht genug für einen schmerzlosen Liebesakt sind. Die Hormonumstellung macht Frauen auch anfälliger für Infektionen (s. "Frisch verliebt? Aber sicher!"). Häufig zu Beginn der Wechseljahre leiden viele zudem an Hitzewallungen, Schlafstörungen und Gewichtszunahme, was die Lust vorübergehend dämpfen kann.
Männer
Die Folgen hormoneller Veränderungen bekommen auch Männer zu spüren. Die Prostata wächst, kann auf die Blase drücken und den gesamten Prozess des Urinierens verkomplizieren. Das Hauptproblem sind und bleiben jedoch Erektionsstörungen, die in verschiedenen Varianten auftreten können. Nicht immer steht, was stehen soll, es dauert länger, bis er sich aufrichtet, und es ist längst nicht mehr selbstverständlich, die Erektion zu halten.
Frauen und Männer
Nicht nur die Hormone beeinflussen unsere Sexualität, sondern auch Krankheiten, Operationen und Medikamente. Das betrifft natürlich beide Geschlechter. Die Folgen sind jedoch für Männer in der Regel gravierender als für Frauen, weil sie direkten Einfluss auf die Potenz haben.
- Gelenkprobleme wie Arthrose und Arthritis oder Erkrankungen des Bewegungsapparats wie Osteoporose nehmen im Alter zu. Sie machen nicht nur unbeweglich, sondern verursachen auch große Schmerzen.
- Diabetes, Bluthochdruck und ein erhöhter Cholesterinspiegel schädigen auf Dauer Nerven und Gefäße. In der Folge können Nerven- und Durchblutungsstörungen auftreten, die beim Mann eine Erektion erschweren und bei der Frau die Gefühlsintensität herabsetzen.
- Viele ältere Menschen leiden an Harninkontinenz – die Angst vor ungewolltem Urinverlust und die damit verbundene Scham führen häufig dazu, dass die Betroffenen gänzlich auf Geschlechtsverkehr verzichten.
- Starke Auswirkungen auf die Sexualität in einer Partnerschaft haben vor allem Krebserkrankungen und deren Behandlung – sei es, dass sich Operationen, Chemo- oder Strahlentherapie direkt auf Potenz und Libido auswirken, oder dass vor allem geschlechtsspezifische Krebserkrankungen wie Brust- oder Prostatakrebs als Verlust der weiblichen bzw. männlichen Identität betrachtet werden.
- Menschen mit Herz-Kreislauf- Erkrankungen leiden häufiger an sexuellen Funktionsstörungen als gesunde Menschen. Darüber hinaus vermeiden viele Betroffene aus Angst vor einem Herzinfarkt Sex, obwohl die Sorge meistens unbegründet ist. Ein Arztgespräch kann Klarheit bringen.
- Da viele ältere Menschen an mehreren Erkrankungen leiden, müssen sie dauerhaft Medikamente einnehmen – so kommen leicht mehrere verschiedene Wirkstoffe zusammen, die das Risiko für unerwünschte Nebenwirkungen erhöhen. Manche dieser Medikamente können das sexuelle Leistungsvermögen und/oder die Libido enorm beeinträchtigen.
Das alles kann, muss aber nicht passieren. Manchmal ist auch das Gegenteil der Fall.